Antifeminismus und Verschwörungs-erzählungen bei niederbayrischen „Corona-Rebell*innen“

Gastartikel von Elsa Kartov und Lia Naiser

Inhalt:

  1. Vorbemerkung: Krise – tell me about it.
  2. Maskulinismus und traditionelle Geschlechterrollen? Hold my beer.
  3. Zwischen Mutterrolle und „Rebellin“
  4. „Rockefeller sagte der Feminismus ist unsere Erfindung“
  5. Abtreibungen, Unfruchtbarkeit und Impfungen

In diesem Artikel gehen wir auf verschiedene Versatzstücke antifeministischer Ideologie und ihren Zusammenhang mit Corona-Verschwörungserzählungen ein. Nicht alle Versatzstücke treten gleichermaßen häufig auf oder werden von allen „Corona-Rebell*innen“ geteilt. Wir wollen im Folgenden dennoch aufzeigen, dass es kein Zufall ist, dass antifeministische Narrative auch Eingang in die (antisemitischen) Verschwörungsnarrative der „Corona-Rebell*innen“ finden. Antifeminismus wird nicht selten zum Träger von Antisemitismus sowie auch umgekehrt Antisemitismus zum Träger von Antifeminismus werden kann. Auch das soll der folgenden Artikel anhand von Beispielen der niederbayerischen „Corona-Rebell*innen“ verdeutlichen.

Vorbemerkung: Krise – tell me about it.

Die Nutzung des Wortes „Krise“ findet in unserem Sprachgebrauch einen alltäglichen Platz. Der Duden definiert eine Krise als „schwierige Lage, Situation, Zeit [die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt]“. Eine Krise kann sich ebenso auf Mikro- wie auf Makroebene abspielen und ist eindeutig mit subjektiver Empfindung verbunden.

Lassen wir diesen Erklärungsansatz auf uns wirken. Der Begriff kann quasi überall angewandt werden und bietet zunächst eine Grundlage für die Beschreibung einer potentiell katastrophalen Situation. Darüber hinaus gilt er fast als Mittel der Verständigung – jede*r weiß, was unter einer Krise zu verstehen ist.

Bedeutend dabei ist das subjektive Erleben dieser Krisensituation. Diese tangieren Menschen in unterschiedlicher Art und Weise, so reagiert jede Person anders und sieht sich mehr oder weniger am sprichwörtlichen Abgrund. Diese Situation führt zu radikaler Angst und Sorge vor einem als negativ wahrgenommenen Umbruch bis hin zur kompletten Entwurzelung der persönlichen und gesellschaftlichen Gesamtsituation.

Neben der subjektiven Empfindung spielen Analyse und Fazit eine maßgebliche Rolle in der (Um-)Deutung von Krisensituationen. Besonders in Verschwörungsmythen kommt dies zum Vorschein. Auf ganz unterschiedliche Weise wird hier zumeist ein Endzeitszenario gemalt oder/und die Bevölkerung in den Fängen von „Hintermännern“ gesehen. Wer fest dieser Überzeugung ist, bekommt es folglich mit der Angst zu tun. Diese wahrgenommene Krisensituation ginge schließlich direkt an die menschliche Existenz. Interessant dabei ist, wie im Zusammenhang der Corona-Verschwörungsmythen auch die „Corona-Rebell*innen“ diese Atmosphäre der Angst nutzen und politisieren. Aus ihrer Sicht besteht ein klarer Handlungsbedarf, den sie durch das Schüren von Ängsten vermitteln. Eine solche Rhetorik ist meist begleitet von Arten der Endzeitvorstellung, die es zu verhindern gälte, und findet szeneübergreifend Anklang. Wenn jene Vorstellungen verbreitet werden, deutet die Argumentation häufig auf vielschichtige, vermeintlich gesellschaftsspaltende Bedrohung hin, gegen die es sich zu wehren gelte. Es ist ein Spiel mit dem binären Muster „Wir gegen die Anderen“. Die Anderen sind dabei die vermeintlich Fehlgeleiteten, die „Schlafschafe“, die einer verschwörerischen Struktur angehören (oder sich zumindest von ihr leiten lassen) würden, welche doch ganz eindeutig gegen jegliche Humanität und Menschenverstand stünde.
Dabei macht den Diskurs ein Schwarz-Weiß-Denken aus, welches von inhaltlichen Widersprüchen geprägt ist.

Was ist also die Krise, was ist die Endzeitvorstellung? In den Kreisen der „Corona-Rebell*innen“ bestehen verschiedene Narrative, die jedoch eines gemein haben – mindestens eine Schuldzuweisung.

Zum einen sind es „Die da oben“, welche Nationen entzweien und Bürger*innen voller Gewalt und nun (auch durch die Pandemiemaßnahmen nun ganz offen) versklaven würden. Hier ist anzumerken, dass Antisemitismus ein konstanter Begleiter von diesem Diskurs ist und die Erklärungsmuster maßgeblich prägt. Teilweise offen, teilweise in Codes verpackt, werden Juden und Jüdinnen häufig als Drahtzieher*innen dieser vermeintlicher Verschwörung ausgemacht. Bekannte und beliebte Codes für Juden und Jüdinnen wie die New World Order (NWO), Rockefeller, Rotschilds, Georg Soros oder Israel werden auch von den niederbayerischen „Corona-Rebell:innen“ genutzt.

Und dann gibt es da zum anderen noch den Feminismus. (Gut, für diese Art von Ideologie sind auch „die da oben“ verantwortlich, denn Feminismus ist laut Verschwörungsnarrative bekanntlich eine Erfindung der Juden. Mehr dazu folgt im Abschnitt „Rockefeller sagte der Feminismus ist unsere Erfindung“.) Die Vorstellung, Gleichheit unter Geschlechtern zu erschaffen lässt bei dem Einen oder der Anderen Schauer über den Rücken laufen. Dies ist auch gewissermaßen verständlich. Gerät die Perspektive von klar gesetzten, heteronormativen Geschlechter- und somit Herrschaftsverhältnissen allmählich ins Wackeln, so löst genau dies eine Krise in so manchem Geist aus. Und plötzlich ertönen die Rufe derjenigen aus dem Walde heraus, die nicht nur vor einer „Krise der Männlichkeit“ warnen, sondern diese als grausame Tatsache der Gesellschaftszustände und eines vermeintlichen Werteverfalls betrachten und dazu aufrufen sich gegen diese zur Wehr zu setzen.

Dabei wird in dieser „Krise der Männlichkeit“ beim ersten Zuhören nicht bestritten, Frauen und Männer seien gleichwertig. Hört man jedoch genauer hin, so folgt dieser – irgendwie ja auch egalitär wirkenden – Aussage ein klar strukturiertes Gesellschaftsbild, welches es zu verteidigen gelte. Denn dieser Aussage folgt eine Aufteilung, in was Männer ob ihrer Biologie angeblich gut können (jagen?) und was Frauen gut können (Mutterkreuz und all das andere Soziale?).

Erinnern wir uns zurück an die Definition, so wirkt auch diese „Krise“ sehr real auf manche Personen. Im hiesigen „Corona-Rebell*innen“ Kreis tut sich beispielsweise besonders Jurij Sinenkov hervor und warnt vor eben diesem – einer „Krise der Männlichkeit“.

Dabei merken wir, wie sehr der Krisendiskurs des Antifeminismus’ in zeitgenössischer Formation als Reaktion auf die Pandemie zutage tritt. Er wird geäußert von Menschen, die vielleicht in den blinden Protesten ein Sprachrohr gefunden haben, sonst aber nichts beitragen können. Dabei gilt jene Inszenierung als Propaganda für einen Lösungsansatz der subjektiv empfundenen Krisensituation. Die Soziologin Prof. Karin Stögner resümiert zur Gemeinsamkeit von Antisemitismus und Sexismus: “Ein gemeinsamer Kern ist die Furcht vor der Veränderung des Status quo der bürgerlichen Gesellschaft, gerade auch von denen, die von diesem ordo in ihren Möglichkeiten menschlicher Entfaltung massiv eingeschränkt werden.” (Stögner 2014: 284)

Interessant dabei ist, dass diese Befreiungsansätze zwar zunächst im Gewand von Freiheit und Gleichheit für alle erscheint, jedoch der leichteste Windstoß genau dieses Gespenst entblößt.

Maskulinismus und traditionelle Geschlechterrollen? Hold my beer.

Dass die Freiheitsbestrebungen der „Corona-Rebell*innen“ nicht immer egalitär oder intersektional sind, dürfte bereits hinreichend geklärt sein. (Falls nicht, verweisen wir auf den hier folgenden Abschnitt dieses Artikels.) Wie sehr jedoch diese Bestrebungen auf einer massivst binären geschlechtlichen Gesellschaftsordnung bauen, zeigen einige Akteur*innen der lokalen “Corona Rebel*innnen” eindrucksvoll.

Doch was bedeutet Maskulinismus überhaupt? In der kritischen Männlichkeitsforschung definiert sich der Begriff überwiegend als Gegenprogrammatik zu feministisch-emanzipatorischen Strömungen. Dabei findet der Begriff überwiegend Bedeutung und Resonanz in einer maskulin-zentristischen Vorstellung, welche Frauenrechte größtenteils ablehnen. Meist geht mit dieser Vorstellung eine traditionalistische Sichtweise auf patriarchale und gesellschaftsordnende Werte einher. Hinzu kommt eine absoluter Ablehnung feministischer Bestrebungen. Dies ist jedoch nicht nur zu finden bei ideologisch fundierten Menschen, sondern auch bei vermeintlich unscheinbaren Akteur*innen.

Ganz und gar nicht unscheinbar ist der in Passau lebende „Corona-Rebell“ und Hypermaskulinist Jurij Sinenkov. Und ja, manchmal – immer! – ist es anstrengend, ihm zuzuhören. Dafür hat er auch absolut keine Inhalte außer denen, in welchen er über den Verlust der Männlichkeit in Männern klagt.

Doch was sind Sinenkovs Inhalte genau? Eigentlich nichts neues. Hält er Reden auf Kundgebungen der Passauer „Corona-Rebell*innen“ oder spricht für seinen Podcast, ist es, als habe er einmal zu viel Jack Donovan gelesen oder einmal zu viel auf Marcus Follins’ Profil geschaut. Blanke how-to-become-a-man-again-Attitüde, mit viel Pathos, ein paar zur Schau gestellten Muskeln und irrwitzigen Fantasien. Jack Donovan scheint derweil ein echtes Vorbild für ihn zu sein. Der US-Amerikaner zählt sich zum New Tribalism, einer Bewegung, die die einzig mögliche gesellschaftliche Zukunft in der Rückbewegung hin zu archaischen Stammesgesellschaften sieht. Selbst Autor diverser Bücher und Verfechter eines extremen Maskulinismus à Survival of the Fittest, scheint Donovan den inhaltlichen Esprit an Sinenkov weitergereicht zu haben.

Beispielhaft hierfür steht eine Frage-Antwort-Aktion via Sinenkovs Instagram-Account. Am Ende seiner Antwort auf die Frage „Was macht einen mann [sic] aus?“ zitiert er, ohne dies derweil zu kennzeichnen, Donovans vier „tactical virtues“: Strength, Courage, Honor, Mastery. (Vgl. Donovan 2012: The Way of Men)

Und als sei der Verkauf von Sportnahrung – nebenbei noch Geschäftsführer like a boss – sowie ein regelmäßiger Gym-Gang nicht männlich genug, versucht er sich aktuell scheinbar als Autor. Den rechten Blogger Oliver Flesch scheint dies genug überzeugt zu haben, dass er als sein Verleger auftritt. Why not. Die These des Buches lautet übrigens, es bestünde ein grundlegender Mangel an Testosteron bei Männern heutzutage. Das Hormon gilt für Sinenkov quasi als Wundermittel für Männlichkeit per se. (Die Frage, ob sich damit auch Haarausfall vermeiden lässt, ist wissenschaftlich noch nicht belegt – glauben wir. Vielleicht hilft ja das ein oder andere Globuli. Doch werden wir wieder ernsthaft, Sarkasmus bringt uns schließlich auch nicht weiter.)

Aus Sinenkovs Aussagen lässt sich eine Quintessenz schließen: Männer werden durch feministische Frauen zu „Weicheiern“. Somit sei auch klar, warum die Frauenemanzipation ihre Tücken habe. Es gehe schließlich nicht bloß um eine Gleichstellung der Geschlechter. Viel fundamentaler handele es sich um das Herabsetzen jeglicher Art von Männlichkeit, sodass das eigentlich „harte“ und besonders „rationale“ Geschlecht – wie es biologisch nun einmal existiere – sich in seiner Position nicht mehr wiederfände.

Die inhaltliche Orientierung Sinenkovs hin zu männerbündischen – damit Frauen exkludierenden – und archaischen Prinzipien wird durch solche und ähnliche Aussagen evident. Sein primär auf Männer gesetzter Fokus besteht automatisch in der Nicht-Beachtung bzw. Herabsetzung von Frauen. Dabei bestätigt insbesondere die Haltung, das weibliche Geschlecht müsse vor Gefahren beschützt werden, die schlichtweg frauenfeindliche Haltung des Passauers.

Damit findet er komplizenhafte Unterstützung und Fans in der Szene um die Passauer „Corona-Rebell*innen“. Dies zeichnet sich unterschiedlich ab. Auf der einen Seite trifft er mit den auf Kundgebungen vorgetragenen Inhalten auf jubelnde Frauen, die seine Aussagen als pure Männlichkeit wahrzunehmen scheinen. Andererseits steht er mit seinen vor Testosteron triefenden Thesen inhaltlich nicht allein da. Selbst, wenn Sinenkov mit seinen archaischen Idealen eine spezielle Sicht einnimmt, so werden andere maskulinistische Haltungen von weiteren Akteuren eingenommen.

Zu diesen gehören mitunter der gescheiterte DSDS-Teilnehmer Daniel Kirchhoff, der (ehemalige) NPD-Politiker Martin Gabling und der Mann mit Hang zur Cholerik, Stefan Folkinger.

Obgleich sich Kirchhoff mit der ebenfalls sehr aktiven „Rebellin“ Raphaela Dichtl in einer Beziehung befindet, scheint er eine sehr traditionalistische Rollenverteilung zu befürworten. Beispielsweise teilt er ein von Martin Gabling auf Facebook geteiltes Bild „Aus dem Ratgeber für eine gute Ehefrau“ von 1955. Kirchhoff schreibt hierzu: „Die Frau in ihrer Weiblichkeit [Herz-Emoji] … Und das sage ich, auf die Findung der Wahrheit“.

Gabling selbst kommentierte das Bild mit: „die gute alte Zeit….. [lach Emojis]“. Die jeweilige Aussage ist unterschiedlich und betrachtet eine andere Herangehensweise, dennoch bleiben beide im Kerne fundamental frauenfeindlich und eben anti-emapzipatorisch. Kirchhoff wähnt eine Retraditionalisierung als Fundament der „Wahrheitsfindung“. Der Beitrag aus dem Ratgeber befasst sich mit einer klaren Rollenverteilung, nach welcher die Ehefrau ihren Ehemann zentristisch in ihrem eigenen Leben zu begünstigen hat. Ob diese Sichtweise von Kirchhoffs Freundin, der Anwältin Raphaela Dichtl, unterstützt wird, bleibt offen.

Gabling währenddessen beschließt scheinbar, durch das Teilen des Beitrags lediglich eine platte, frauenverachtende Bewertung einzufließen. Für ihn scheint hier kein großer ideeller Mehrwert für „die Revolution“ zu bestehen, er wünscht sich die „alten Tage“ zurück. Dabei ist dies nicht minder interessant, da somit ebenfalls ein klar definiertes, strukturelles Rollenbild von dem Mann als Patriarch in den Raum gestellt wird. Die klar aufgeteilten binären Geschlechterideale sind für den (ehemaligen) NPD-ler Bestand einer geregelten Gesellschaftsstruktur, zu der es sich zurückbesinnen gelte.

An diesem Punkt liegt eine Brücke zwischen explizit maskulinistischer Ideologie, wie sie von Sinenkov verfolgt wird, und einer anders strukturierten antifeministischen Weltsicht. Die Retraditionalisierung und Rückbesinnung auf vermeintlich biologische Geschlechterrollen, wie sie von den oben genannten Akteuren propagiert werden, ist auch bei anderen Akteur*innen der “Corona-Rebell*innen” offenkundig. Hier kommen insbesondere weibliche Akteurinnen aus der Region zur Sprache.

Zwischen Mutterrolle und „Rebellin“

In Passauer „Corona Rebell*innen“-Kreisen existieren sichtbar verschiedene Auffassungen der Rolle von Frauen.

In Rollen der Verteidigerinnen klarer Familienstrukturen tritt beispielsweise Daniela Folkinger zutage. Interessant an der Repräsentation der „energetischen Lebensberaterin“ ist ihr unterstützender Charakter. So ist sie beispielsweise (im Gegensatz zu ihrem Ehemann, Stefan Folkinger) nur bei Aktionen dabei, wenn für die Kinder gesorgt ist. Anders gesagt – bei spontan angekündigten Aktionen (wie beispielsweise am 29. Oktober 2020) kommuniziert sie offen im Telegram-Chat der „Corona-Rebellen-Passau“, aufgrund des Nachwuchses nicht dabei zu sein. Die Idee, Stefan Folkinger könnte dies übernehmen, steht dabei nicht zur Debatte.

Dies erinnert entfernt an den „Ratgeber für Ehefrauen“. Zwar ist D. Folkinger selbstständig und geht – quasi mindestemanzipatorisch – einem Beruf nach. Zugleich scheint ihr in den Anti-Corona-Protesten mit das Wichtigste, dass für die Kinder gesorgt ist. Dabei geht es nicht lediglich um eine Betreuung, sondern vielmehr sieht sich Folkinger als Verfechterin eines durch die Pandemiemaßnahmen bedrohten Kinderschutzes.

Dies ist dabei eine weite verbreitete Furcht, welche sich innerhalb der gesamten Szene wiederfindet. Insbesondere in einem esoterisch-alternativen, wissenschaftsablehnenden Weltbild herrscht die allgemeine Auffassung, Masken seien schädlich für (Klein-)Kinder und unter Umständen sogar tödlich.

Diese Sorge wird auch von Julia Weikl geteilt. Auch sie verbinden Familienstrukturen mit den Kreisen der „Corona-Rebell*innen“. So ist sie die Tochter vom Passauer Gynäkologen Dr. Ronald „Ronny“ Weikl, welcher durch das Verteilen ungerechtfertigter Mund-Nasen-Bedeckung (MNB)-Befreiungsattesten erst im Dezember 2020 in Form von Hausdurchsuchungen die Quittung für dieses (unprofessionelle) Handeln erhielt.

Vater und Tochter sind regelmäßig Redner*innen bei Corona verharmlosenden Kundgebungen, wobei J. Weikl wohl durch das Bespielen des Telegram-Kanals „Corona Jugend informiert“ eine Schnittmenge zwischen Mutter-Dasein und jugendlicher Corona-Rebellin zu vertreten sucht.

Bei ihren Redeauftritten liegt der Fokus derweil auf einer vermeintlichen Aufklärung der Gefahren, welche durch MNB insbesondere bei Kindern entstünden. Die Lehramtsstudentin beruft sich derweil häufig auf ihren Vater. Wobei die Glaubwürdigkeit sehr fraglich wird, wenn ein auf Gynäkologie spezialisierter Mediziner Atteste ausgibt, die lungenspezifische Ursprünge haben.

Nichtsdestotrotz liegt auch hier der Fokus auf dem Schutz der Familie. Dies zeigt J. Weikl beispielhaft am 08. September mit einem Beitrag auf Facebook. Dieser lautet: „Papa, ich bin stolz auf dich und deine Arbeit und auf Mama, dass sie uns allen den Rücken stärkt!!“ [sic]. Ganz selbstverständlich übernimmt die Mutter die Carearbeit, um den Familienmitgliedern ein Handeln „für die größere Sache“ zu ermöglichen.

Eine ganz andere Präsenz geht derweil von Akteurinnen wie Vivien Vogt aus. Da diese jedoch faktisch keine Rolle mehr in Organisationsstrukturen der Passauer “Corona-Rebell*innen” zu spielen scheint, wird an dieser Stelle nur sehr kurz auf sie eingegangen. Die einst prominente Initiatorin der Passauer „Corona Rebell*innen“-Proteste schien, anders als Weikl und Folkinger, stets mit Hilfe von Selbstinszenierung im Mittelpunkt stehen zu wollen. Sie steht dabei in einer Reihe mit Akteurinnen wie Eva Rosen (Mitglied der vermeintlich aufklärenden „Frauen Bus Tour“), die scheinbar eine Präsentationsfläche für die eigene Person in der Thematik sehen. Dabei steht inhaltlich ein gefühlt erlebter Freiheitsverlust im Mittelpunkt, wobei jedoch auch fast perfide Totschlag-Argumente von Nutzen sind. So argumentiert Rosen während des Stopps der „Frauen Bus Tour“, die MNB erinnere sie an eine sexuelle Misshandlung aus ihrer Vergangenheit. Diesem mit starken Emotionen verbundenen Argument lässt sich unmöglich argumentativ begegnen. Dabei geht es nicht darum, einer von sexueller Gewalt betroffenen Person das Mitgefühl und die Solidarität zu entziehen, sondern um die Enttarnung des Vergleiches.

Bei diesen Akteurinnen steht ganz offensichtlich die Selbstinszenierung im Mittelpunkt. Vermeintlich geht es um Grund- und Menschenrechte, demnach um gemeinschaftliche Werte. Diese werden – anders als in traditionalistischen Positionen – dabei nicht auf das Gemeinwohl der Familie und die daraus resultierende aufopfernde Selbstaufgabe bezogen, sondern finden in einem egozentrischen Selbstbild Ausdruck.

Rockefeller sagte der Feminismus ist unsere Erfindung“

Immer wieder werden Ängste vor einer vermeintlichen feministischen Übermacht geschürt, welche die Zerstörung des “deutschen Volkes” zum Ziel habe. Die antifeministischen Narrative ähneln den antisemitischen Verschwörungsnarrativen und werden immer wieder auch explizit mit ihnen in Verbindung gebracht.

So teilt der Passauer „Corona-Rebell“ und NPDler Martin Gabling einen Post in dem es heißt: „Rockefeller sagte folgendes: ‚Die Zerstörung der Familie + Der Feminismus ist Unsere Erfindung‘“. Gabling kommentierte den Post mit den Worten: „Im Frühjahr hat man getestet ob auch alle unterwürfig genug sind und nun wird an der Umsetzung der NWO (Neue Welt Ornung) gearbeitet“. Er suggeriert damit, dass der Feminismus ein Instrument von Juden und Jüdinnen sei, um das Volk gefügig zu machen, um es beherrschen und versklaven zu können. Das Narrativ Frauenemanzipation sei eine Erfindung der Juden, wurde schon im Nationalsozialismus verbreitet und hat insofern eine Kontinuität von alten Nazis bis in die heutige extreme Rechte.

Dieses Narrativ wird von anderen „Corona-Rebell*innen“ nicht immer so offen wie von Gabling ausgesprochen, dennoch schwingt es häufig mit, wenn von der Gefahr des „Genderwahns“ die Rede ist und wie in einem in der Telegram Gruppe „Corona Wahrheit Deggendorf“ geteilten Video behauptet wird „da steckt wahrscheinlich mehr dahinter als man im Moment glauben will“.

Zudem spielen Geschlechterbilder und Sexualität bei antisemitischen Zuschreibungen ein Rolle. Sexistische Zuschreibungen können die Abwertung der Jüdinnen und Juden bestärken, sowie auch andersherum antisemitische Zuschreibungen die Abwertung von Frauen bestärken können.

Ein neben- und miteinander von sexistischen und antisemitischen Zuschreibungen, lässt sich u.a. bei den Projektionen auf Merkel beobachten. So kommt in Telegramgruppen immer wieder die sexistische Zuschreibung von Merkel als Mutter zum Tragen.

Sie wird in Gruppen etwa als „Mutti“ bezeichnet oder wie in der Telegram Gruppe der „Freiheitsboten Passau“ eine Karikatur geteilt, in der Sebastian Kurz auf Merkels Schoß sitzt und sie fragt: „Mama, was soll ich tun?“.

Neben der geschlechterstereotypen Zuschreibung als Mutter wird sie auch immer wieder sexistisch objektifiziert und auf ihr Aussehen reduziert. In der Telegram Gruppe: „Landshut_Altstadt“ wird eine solche Objektivierung gar mit einen Todeswunsch verbunden. In einer geteilten Sprachnachricht hieß es: „Heute geht der Lockdown wieder in Verlängerung, die Kanzlerin schaut dumm und dämlich, glotzt einfach herum. Ihr Anblick ist so hässlich, warum bringt die niemand um“.

Zu den geschlechtsstereotypischen Zuschreibungen kommen auch antisemitische Zuschreibung hinzu. Mittels „Ahnenforschung“ wird immer wieder versucht Merkel „nachzuweisen“, sie sei jüdisch. In der „Corona Wahrheit Deggendorf“ Telegramgruppe heißt es: „Merkels Mutter […] Helind (Jentzsch) Kasner ist polnische Jüdin. […] Das heißt,Angela Merkel ist Jüdin [Fehler im Original]“.

In einem in der selben Gruppe geteilten QAnon-Video werden gar sexistische, rassistische und antisemitische Suggestivfragen aneinandergereiht. Auch wenn dieses Video, um sich weniger angreifbar zu machen, nur aus Fragen besteht, ist für die Adressat*innen eindeutig auf welche Antworten die Fragen abzielen. Im Video heißt es unter anderem zu Merkel:

„Wie kann sie deutsche Kanzlerin sein, wenn ihre Eltern angeblich Polen sind? Welche religiöse Zugehörigkeit hat ihre Mutter Herlind Jentzsch [Im Hintergrund wird eine israelische Fahne gezeigt]? Warum deutet Q eine Blutlinien Verbindung zu Hitler an? Wieso strahlte RadioBremen einmalig aus, dass Merkel die Mutter von Annett Louisan ist? […] Warum hat sie nicht den Nachnamen ihres Ehemanns Dr. Sauer übernommen? […] Warum sprich sie Hebräisch in Knesset? Wieso wird sie mit dem höchsten israelischen Staatsorden ausgezeichnet, den nur Juden bekommen dürfen? […] Wieso flutet sie das Land, grenzenlos mit Migranten? […] Wer hat Merkels Leben so perfekt vorbereitet?“

In diesem Video wird suggeriert Merkel wäre Teil eines jüdischen Plans, um das „deutsche Volk“ zu zerstören. Als vermeintlicher „Beweis“ dient unter anderem, dass sie sich nicht an die geschlechtliche Norm gehalten hat, den Namen ihres Ehepartners anzunehmen. Die Emanzipation von Frauen scheint hier ähnlich wie im Post von Gabling als Indiz für einen geheimen „jüdischen Plan“ zu gelten.

Beim Passauer „Corona-Rebell“ Daniel Kirchhoff wird Merkel zur „Rotschild-Marionette und Hochverrätin“ – so bezeichnet er sie in einem seiner Facebook-Posts. Die antisemitische Unterstellung, Merkel sei eine Marionette von Juden und Jüdinnen, kann als Versuch interpretiert werden, die Widersprüchlichkeit der antifeministischen Angst vor weiblicher Übermacht und der gleichzeitigen Zuschreibung von Frauen als das schwache Geschlecht, die gar nicht die Stärke besitzen kann Macht auszuüben, aufzuheben.

Abtreibungen, Unfruchtbarkeit und Impfungen

Auch die Delegitimierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist ein wichtiger Bestandteil antifeministischer Narrative. Sie zielt auf die Kontrolle des (in den Augen der Antifeministen) weiblichen Körpers. Radikale Abtreibungsgegner*innen arbeiten dabei gerne mit Verschwörungsmythen und Falschbehauptungen über politische Gegner*innen. Diese finden sich auch in verschiedenen niederbayerischen Telegram-Gruppen und Demos der Corona-Verharmloser*innen wieder und werden teilweise direkt in Zusammenhang mit Corona-Verschwörungsmythen gesetzt.

So nahm beispielsweise der christliche Fundamentalist und AfD-Kreistagsmitglied (LKR Passau) Andreas Eimannsberger mit den Schildern: „Abtreibung ist Mord“ und „Corona = Hoax [engl. für Scherz/Schwindel]“ an einer der ersten Kundgebungen der Passauer „Corona-Rebell*innen“ teil. Eimannsberger führt zweimal im Jahr 40 tätige Mahnwachen vor Pro Familia gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche durch. Seine Sicht auf und sein Umgang mit Corona zeigt einmal mehr, dass die bei Abtreibungsgegner*innen beliebte Rede von „Lebensschutz“ nur ein Vorwand ist, um ungewollt Schwangeren ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung abzusprechen. Mit der Leugnung von Corona („Corona = Hoax“) verhöhnt er das Leben von Personen, für die Covid 19 lebensgefährlich ist.

In den Telegram-Gruppen der Corona-Verharmloser*innen wird zudem mit Begriffen wie „Abtreibungsindustrie“ unterstellt, es gäbe eine Lobby, welche Abtreibung aus reinem finanziellen Kalkül gezielt vorantreiben würde. Diese Erzählung wird bei Corona-Rebell*inen mit dem für Corona-Verschwörungerzählungen typischen Feindbild Bill Gates und Impfungen verknüpft, wie der folgende in der Gruppe „Corona Wahrheit Deggendorf“ geteilte Beitrag des Kanals der Antifeministin Eva Hermann aufzeigt:

„In diesem Video werden Undercover-Aufnahmen gezeigt von ‚Verhandlungen‘ über den Ankauf abgetriebener Babys – mit Mitarbeitern von Planet Parenthood. Die Babyteile landen dann in Kosmetika, Lebensmitteln, und Impfstoffen. Ein Riesengeschäft.

[…] In einem Interview gab Bill Gates 2003 zu, dass sein Vater den Vorsitz von Planned Parenthood innegehabt hatte, einer Organisation, die mit der Vorstellung gegründet worden war, die meisten Menschen seien nur ‚menschliches Unkraut‘, das ausgerissen werden müsse.

In der Videobeschreibung findet sich übrigens eine interessante Auflistung der Produkte, die offenbar Föten enthalten. Auch die Impfungen, welche Zellen menschlicher FÖTEN beinhalten.“

In der Nachricht wird suggeriert, Bill Gates hätte ein finanzielles Interesse an Abtreibungen und menschliche Föten würden gezielt getötet, um Impfstoffe herzustellen. Dabei werden Ängste davor geschürt, dass „die da oben“ eine kinderlose und kinderfeindliche Gesellschaft und die Zerstörung des Volkes bzw. der „weißen Menschen“ willentlich herbeiführen würden. Damit wird die rechtsextreme Verschwörungserzählung der “Umvolkung” bzw. des “Großen Austauschs” bedient. Auch zumindest implizit bedient, wird dieses Narrativ bei der in den „Corona-Rebell*innen“-Telegram-Gruppen weitverbreiteten Behauptung, dass Impfungen unfruchtbar machen würden. Deutlich zum Ausdruck kommt das Narrativ in einer Nachricht in einer Landshuter Telegram-Gruppe in der es zwar nicht direkt um Impfungen, aber um Unfruchtbarkeit geht:

„Anti-Kinder-Agenda ist schon lang nichts neues mehr und kaum mehr provokant. Der Weiße weiß: es gibt zu viele Menschen. Deswegen müssen sich diejenigen ausmerzen (lassen), die in der Minderheit sind und sowieso auf dem absteigenden Ast stehen”

Es ist mehr als zynisch, dass Corona-Verharmloser*innen angesichts ihrer menschenfeindlichen Einstellungen auch feministische Pro Choice Slogans aufgreifen und für ihre Interessen instrumentalisieren. Auf einer „Corona-Rebell*innen“-Demo in Passau trug eine Person ein Schild mit dem aus der Pro Choice-Bewegung stammenden Slogan: „Mein Körper meine Entscheidung“ und auch in deren Telegram Gruppe wird dieser Slogan immer wieder verwendet. Dabei geht es allerdings nicht, wie bei der ursprünglichen Bedeutung des Slogans, um ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch, sondern darum, gegen Infektionsmaßnahmen und Impfungen zu hetzen.

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