Jahresabschlussstatement des Dokumentationsprojekts „linksrum geschwurbelt“

2020 – What a Year! Kaum eine:r von uns hätte zu Beginn des Jahres vermutet, womit wir es zu tun bekommen würden und welches Thema – ausgerechnet – uns dieses Jahr so auf Trab halten würde.1 Eine Pandemie hält die Welt in Atem und eine handvoll vermeintlich Erwachter, Rebell:innen und „Herrenmenschen“, die meinen, der Natur überlegen, den Massen geistig entwachsen und einer weltweiten Verschwörung geheimer Eliten habhaft geworden zu sein, terrorisiert die Mehrheitsgesellschaft mit ihren egoistischen Launen und ihrem menschenfeindlichen und pubertär-trotzigen Getue. Noch im Frühling sammelten sie sich zu Hunderten als zunächst bunt gemischte Gruppen in den Innenstädten. Mit zunehmender Radikalisierung schmolz die „Massenbewegung“ schließlich auf einen harten Kern renitenter Querulant:innen und aggressiver Widerständler:innen zusammen. Als verzweifeltes Überbleibsel großer Revolutionsträume brüllten, applaudierten und atmeten sie Woche für Woche ihren verschwurbelten Müll durch die Innenstadt Passaus… und während die Dreiflüssestadt Mitte des Jahres die Liste der „Corona-Rebell:innen“-Demos in Ostbayern anführte, entwickelte sich zum Endes des Jahres der Inzidenzwert der Corona-Neuinfektionen in rekordverdächtige Höhen.

Von den einst so trotzigen „Corona Rebell:innen“ und ihren wirkmächtigen Strukturen bleibt nicht all zu viel.

Antifaschismus in Zeiten der Pandemie:
Einschreiten trotz Abstand halten

Doch wie kam es zur unglamourösen Entwicklung der einst so stark aufgestellten lokalen Schwurbelszene bis hin zur völligen Marginalität ihrer Strukturen? Einen maßgeblichen Part dürften darin die konstanten, unermüdlichen und konsequenten antifaschistischen Reaktionen, Agitation und deren Netzwerke gespielt haben, welche der Schwurbelszene nach und nach den Nährboden entzogen und zunehmend die Energie geraubt haben. Die Kehrseite der Medaille: Mit zunehmender Radikalisierung und merklich strapazierten Nervenkostümen steigerte sich auch die Gewaltbereitschaft und die Aggression der Schuwurbel-Aktivist:innen gegenüber allen von ihnen als Feind:innen markierten Personen.
Unser Rezept in einer Zeit, in der Straßenaktionen nicht möglich sind, ist deshalb: Neue Formate suchen, alte Formate umdenken! Rechte Bewegungen, Agitationen und die Entwicklungen ihrer Strukturen niemals unbeobachtet und unkommentiert lassen, berichten, dokumentieren, Zusammenhänge aufdecken, Allianzen knüpfen und dabei auf sich selber aufpassen!

So schließen wir das Jahr 2020 und hoffen auf ein besseres, gesundes 2021.
Mit den Erfolgen und der massiven Schädigung der Schwurbelszene wird sich auch unsere Arbeit den neuen Bedingungen anpassen und etwas umstrukturieren. Tagesaktuelle Berichte mit lokalem Bezug zu Passau sind derzeit obsolet, über die hiesigen Akteur:innen und ihre Netzwerke ist im Grunde alles gesagt. Daher konzentrieren wir uns auf alle die antifaschistischen und privaten Herzensangelegenheiten, welche das ganze Jahr etwas zu kurz gekommen sind.
Wir treten also einen Schritt kürzer – allerdings allein was die Publikationen betrifft. Wir werden weiterhin jeden Schritt der Passauer Schwurbelbewegung beobachten und jede öffentliche Zusammenkunft dokumentieren. Und sollte es sich als nötig erweisen, werden wir wieder mit 100% da sein und das tun, womit das Dokumentationsprojekt „linksrum geschwurbelt“ und sein Querdenken-versenken-Netzwerk dieses Jahr so erfolgreich war.
Ab jetzt heißt es deshalb für uns: Unsichtbar
und trotzdem da – impfbereite Antifa!

2020 – Was vom Jahr der gescheiterter Rebellion in Passau übrig blieb
Eine Bestandsaufnahme

„Für die Freiheit 2020“ – Der Verein der es nie über die Gründungsphase hinausgeschafft hat

Der Verein „Für die Freiheit 2020“, welcher seit Mai des Jahres erst wöchentlich, dann in größeren zeitlichen Abständen mit je mehreren hundert Teilnehmer:innen gut besuchte Kundgebungen in Passau veranstaltet hatte und den Protest in diesem Zeitraum maßgeblich prägte, scheint es über die Gründungsphase nie heraus geschafft zu haben. Einige Zeit nach der ersten und vermutlich einzigen (ziemlich aus dem Ruder gelaufenen) Mitgliederversammlung in Eging am See, Ende September, verschwand der halbe Vorstand von der Website, nun ist die Homepage selber seit Monaten nicht erreichbar, die Facebookseite scheint verwaist. Das Gesicht der Bewegung, Vivien Vogt hat sich ich Grunde seit der letzten Veranstaltung der Vereins nicht mehr im Spotlight blicken lassen, die anderen Mitglieder der vormals so eingeschworenen Gruppe sammeln Anzeigen, Verfahren und Skandale, was der Harmonie innerhalb der Passauer Bewegung nicht nur gut zu tun scheint.
Die bürgerliche Fassade, um deren Aufrechterhaltung sich der Verein immer sehr bemüht hatte, ist (auch dadurch) inzwischen eingebrochen und die rechten, antisemitischen und verschwörungsideologischen Einstellungen, die von einigen
Vorstandsmitgliedern verinnerlicht und von den anderen mindestends akzeptiert werden, sind für den:die aufmerksame:n Betrachter:in klar erkennbar.
Etwas öffentlichkeitswirksamer entwickelt sich das „Für die Freiheit“-Partnerprojekt im fränkischen Hilpoltstein, welches seit Sommer als Ortsgruppe des Passauer Vereins „Für die Freiheit 2020“ engagiert. Wäre da nicht das winzige Imageproblem, dass ebenjene Gruppe in etwa demselben Zeitraum vom Bayerischen Verfassungsschutz als „maßgeblich von Rechtsextremisten organisiert“ deklariert wurde. Damit
reiht sich die fränkische Ortsgruppe des Passauer Vereins „Für die Freiheit 2020“ (Prägende Aktivist:innen: Vivien Vogt, das Ehepaar Daniela & Stephan Folkinger, Julia Weikl, Daniel Kirchhoff, Martin Gabling, Stefan Hobelsberger, Josef Reinhard und Karl-Ferdinand Angermann) ebenso wie die „Querdenken-Bewegung“ und möglicherweise der niederbayerische Mutterverein FdF2020 an sich, in eine unrühmliche Reihe VS-relevanter, antidemotraktischer und rechts-durchsetzter Strukturen ein.
Über die Passauer Bewegung „Für die Freiheit 2020“ hatte das Dokumentationsprojekt „linksrum geschwurbelt“ im Verlauf des Jahres bereits viele Male berichtet, so in einem Artikel über die prägenden Akteur:innen des Vereins und in einem Bericht über die Verstrickungen dessen Akteur:innen in die extrem rechte Szene.

„MWGFD e.V.“ – Das Netzwerk im Blick der Kriminalpolizei

Der sich seriöser gebende Passauer Verein „Mediziner und Wissenschaftlicher für Grundrechte, Freiheit und Demokratie“ unter Leitung von Prof. Sucharit Bhakdi, Dr. Ronald (Ronny) Weikl und Daniela Folkinger macht sich derzeit auch nicht besser als dessen „Pendant auf der Straße“ (FdF2020). Im Sommer wurde dem noch jungen Verein, der „Aufklären“ und eine „alternative wissenschaftliche Sicht auf das Corona Thema“ beitragen möchte, der Status der Gemeinnützigkeit vom Passauer Finanzamt entzogen, im Dezember ereilte dessen Wortführer Ronny Weikl eine Hausdurchsuchung in seinen Privat- und Praxisräumen. In Letzteren findet sich laut Impressum der MWGFD-Website übrigens auch der Vereinssitz. Der Corona-verharmlosende Gynäkologe soll rund 1000 Atteste zur Befreiung von MNS ausgestellt haben – er steht im Verdacht, diese als Gefälligkeiten ausgegeben zu haben. Seine Approbation könnte in der Folge auf der Kippe stehen. Als reisender Referent der Schwurbelbewegung tut dies seinem Heldenstatus keinen Abbruch. Dem Verein, der bereits seit Monaten im Verdacht steht, über sein Netzwerk systematisch ungültige Atteste zu organisieren, dürfte dies nicht zuträglich sein. Dabei hatten sich dessen führende Passauer Aktiven und Gründungsmitglieder, Ronald Weikl und Daniela Folkinger, zuletzt sogar einen Anwalt in Berlin organisiert, der anbot, Atteste für jedermann gegen eine Aufwandspauschale rechtsgültig umzuformulieren.

Das leidenschaftslose Schwurbel-Tochterprojekt „Corona Jugend informiert“

Ronny Weikls Tochter Julia, ihrerseits Lehramtsstudentin, war ebenso stark involviert in den Verein „Für die Freiheit 2020“ und sogar auf der Website in dessen Vorstand gelistet. Seit der Auflösungserscheinungen der Vereinsstruktur involviert sich Julia Weikl zunehmend in der Administration der Facebookgruppe für lokale Verschwörungsfans „LKR Passau steht auf!“ und in ihrem Projekt „Corona_Jugend_informiert“. Während man sich in der Landkreis-Facebookgruppe mit knapp 4500 Mitgliedern zunehmend echauffiert, dass außer zahlreichen Wortbeiträgen keine Mobilisierung erreicht wird und sämtliche Versuche der Organisation analoger Proteste in peinlichen orientierungslosen Kleinstaktiönchen mit hohem Repressionsdruck enden, scheint auch Weikls Engagement für „Corona_Jugend_informiert“ ziemlich leidenschaftslos zu verlaufen. Möglicherweise vermisst die „super starke Frau <3“ als „Mama im Einsatz“ schlichtweg das VIP-feeling der Backstagebereiche bundesweiter Querdenken-Großdemos und den anerkennenden Applaus für ihre cringy Wortbeiträge – oder sie möchte in Zeit von Hausdurchsuchungen, Quarantäneanordnungen und negativen Schlagzeilen zunehmend für ihre Familie da sein.
Die treibende Kraft hinter dem Passauer Telegram- und Instagramprojekt welches „der Jugend eine Stimme geben und helfen will“, aber darüber hinaus eigentlich weder eimen besonderen Zweck dient, noch inhaltliche Beiträge leistet, ist inzwischen Weikls 18-jährige Projektpartnerin Antonia Kelnberger. Die semi-professionelle Tennisspielerin hat sich eine Befreiung vom Tragen der MNS organisiert – da dieses allerdings aus nachvollziehbaren Gründen nicht anerkannt wird, ist Kelnberger dieses Jahr von ihrer Ergotherapie-Schule frei gestellt. Dieser Umstand sowie ihr Streben nach Aufmerksamkeit für die Sache und ihre neue Rolle als Erwachte und Entlarverin der P“L“andemie qualifizierten sie trotz gänzlich fehlender rhetorischer Skills dazu, als Passauer Referentin der Frauen Bustour mit gleichgesinnten verschwörungsideologischen Aktivist:innen durch die Bundesrepublik zu tingeln. Immerhin, ihr Papa Oliver Kelnberger, so erzählt sie stolz, betreibe (als Admin) die bayernweite verschwörungsideologische Telegram-Plattfom „Pädagogen für Aufklärung“ – vielleicht qualifiziert sie auch dies neben Julia Weikl als Co-Initiatiorin des niedebayerischen Schwurbeltochterprojekts. Zuvor war auch Antonia Kelnberger im Projekt „Für die Freiheit 2020“ und vor allem auf den Demos des Vereins engagiert und versuchte sich mit Julia Weikl (und Janko Williams) selber an der Veranstaltung einer als St. Martins Umzug getarnten Schwurbeldemo in Passau am 11. November, welche sich jedoch als ziemlicher Flop erwies.

Die „Frauen Bustour“ – Das Reality-Trash-TV der Verschwörungsideolog:innen

Die Frauen Bustour rund um ihre führenden Aktivist:innen Eva Rosen (Wir2020), Alexandra Motschmann (Die Basis) und Janko Williams (Anwälte für Aufklärung) sammelt im Kontext ihrer Demotour im Dezember 2020 unbezahlte Rechnungen, Anzeigen und ironischen Links-Twitter-Fame, während man jeden Tag an zwei verschiedenen Orten (so auch in Passau am 16. Dezember) vor durchschnittlich etwa 7-20 Besucher:innen die immer selben völlig wirren, sexistischen, antisemitischen, NS-relativierenden oder pseudo-künstlerischen Reden schwingt oder singt. Antonia Kelnberger referiert selten, vermutlich ist sogar der von jedem Realitätsbezug entfremdeten Corona-Leugner:innen-Truppe ihr vom Handy abgelesenes Gestotter nicht effektheischend genug. Das haltlose Abgleiten der Frauen Bustour (der mangels Frauen inzwischen in „Friedensbus“ umbenannt wurde) ins Würdelose ließ sich täglich auf Twitter verfolgen – die Hauptaktivität der „Gruppe starker Frauen“ um Eva Rosen und Janko Williams besteht inzwischen scheinbar darin, kreischend die Absetzung der Bundesregierung zu fordern, auf Polizeiinspektionen herum zu sitzen und Anzeigen gegen die Polizeieinsatzleiter:innen zu stellen wegen „massiver Störung einer Versammlung“. Kelnbergers Rolle scheint sich darin zu erschöpfen als „Küken der Runde“ vorgeführt zu werden und „jaaa alsooo … sehr müde“ zu sein „eigentlich a nimmer zu wissen, wos sie no sogn sui“.

Schiffmann, Eckert, Haintz, Ehrlich: Die VIP der Bewegung kochen auch in Passau nur mit Wasser

Die offenbar fehlende Motivation Kelnbergers ist nachvollziehbar, füllte doch das Vorbildprojekt der Frauen Bustour, die Corona-Bustour von Samuel Eckert und Bodo Schiffmann bundesweit die Plätze mit tausenden von begeisterten Besucher:innen – die Frauenbustour hingegen feiert Erfolg wenn die Anzahl ihrer Teilnehmer: innen die der Buscrew übersteigt. Doch in Passau hatten auch Bodo und Samuel keinen Erfolg.
Als man hier die Männer-Bustour im Sommer startete, fand sich kaum ein Dutzend Aktivist:innen ein, um Flyer zu verteilen und die beiden zu bejubeln und nach nur kurzer Zeit verkrümelte sich die Bustour mit einem Platzverweis schon wieder aus dem späteren Corona-Hotspot.
Alexander Ehrlich, der Busunternehmer und angebliche geheime Privatsponsor der Frauen Bustour lebt in Salzburg. Erst kürzlich wurden dessen Schwurbel-Aktivismus-Motive von Jan Böhmermann im Kontext der „Wahl des Corona Unternehmers des Jahres“ entlarvend aufs Korn genommen. In Passau hatte der #HonkForHope-Initiator und Anmelder von Berliner Großdemos
der Corona Rebell:innen ebenso keinen Erfolg: Zu seiner spontanen Soli-Demo für den am selben Tag in Berlin festgenommenen Querdenken- Anwalt Markus Haintz, fanden sich am 25. Oktober in Passau nur insgesamt vier Teilnehmer:innen ein. Inklusive ihm und seinem Mitfahrer.

Die Jurist:innen der Bewegung schauen in Passau in die Röhre

Auch ansonsten schafften es große Namen der Schwurbelbewegung in Passau offenbar nicht den reißenden Absatz zu erwirken, den man aus anderen Städten gewohnt war. Der Frauen Bustour Aktivist und Corona_Jugend_informiert-Unterstützer Janko Willians ist zwar als Animateur und Wirtschaftsjurist kein Jurist im klassischen Sinne, bezeichnet sich aber strafbarer Weise als Rechtsanwalt und gründete die Initiative „Anwälte für Aufklärung“. Glücklicherweise sind bei Janko Williams nicht nur die selbstgewählte Berufsbezeichnung, sondern auch die Qualifikationen im Versammlungs- und Strafrecht weitestgehend ein Schuss in den Ofen. Gleichwohl war auch nach seinem völlig gescheiterten „juristischen“ Engagement für die Schwubelkundgebungen am 11. November wie auch am 16. Dezember in Passau beim cholerischen Janko keine Einsicht zu erwarten. Schuld sind, wie so oft im Schwurbler-Kontext, immer die anderen und so schob der QuatschJurist seinen Misserfolg dem „korrupten Passauer Ordnungsamt“ und der „Antifa, in der schlimmsten Stadt Deutschlands“ zu, versuchte gar eigenständig Personalien von Fotograf:innen festzustellen und Antifaschist:innen nach dem „Jedermannsrecht“ festzuhalten. Mit seinen bisweilen unglaublich peinlichen pseudo-juristischen Einschätzungen tut er sich und den tatsächlichen Rechtsanwält:innen der Bewegung womöglich wenig Gefallen.
Als solche bekannt sind der Querdenken-Anwalt Markus Haintz aus Ulm und seine Passauer Kollegin Raphaela Dichtl. Während Haintz seit Beginn des Jahres bundesweit Querdenken-Demos mehr oder minder juristisch begleitet und Einsatzkräfte nervt, erlangte die frisch fertig studierte Raphaela Dichtl erst Bekanntheit, als sie im Zuge einer einer Querdenken-Demo in München selbst Anzeigen wegen Körperverletzung und Widerstands sammelte (und in Folge dessen ihren Job bei einer Passauer Kanzlei verlor). Ihre anschließende PR-Tour „gegen Polizeigewalt“ durch die Schwurbelformate und Telegramkanäle der Nation wurde belohnt: Der Baurechtler Markus Haintz nahm sie in sein Legal-Team auf und eröffnete eine von Dichtl geführte Zweigstelle seiner Ulmer Kanzlei in Passau. Von hier aus klagt die „Für die Freiheit 2020“-Aktivistin Raphaela Dichtl angeblich pausenlos gegen die Versammlungsauflagen, Infektionsschutzbestimmungen und Verbotsbescheide von angemeldeten Querdenker- und Schwurbeldemos deutschlandweit. Die zuvor zuverlässig publizierten Dokumente und Gerichtsbeschlüsse stellt Markus Haintz nicht mehr online, seitdem der Spott über die dilettantischen Werke überhand genommen hat – Erfolge bleiben, so scheint zumindest der Eindruck, auf dem Klageweg bisher fast vollständig aus. Es ist fraglich wie sich die Passauer Haintz/Dichtl-Kanzlei unter diesen eher wirtschaftlich ungünstigen Bedingungen weiter entwickeln soll.

Nicht alle Passauer „Corona Rebell:innen
Initiativen“ schafften im Jahr 2020 den
Sprung aus dem Web auf die Straße

Telegram-Gruppe „Corona Rebellen
Passau“: Gelöscht

Über die Telegramgruppe „Corona Rebellen Passau“ hatten sich die ersten lokalen Schwurbel-Aktivist:innen zusammen im April 2020 gefunden und organisiert. Im Laufe der Zeit wuchs die Gruppe auf knapp 450 Mitglieder an. Während sich auch auf Telegram die einzelnen lokal aktiven Gruppierungen ausdifferenzierten blieb diese die mitgliederstärkste Gruppe. Man tauschte sich über Aktivismus und geplante Aktionen aus, täglich wurden hunderte Links und Medienbeiträge mit dubiosen, zweifelhaften bis hin zu strafbaren rechten und volksverhetzerischen Inhalten geteilt. Zuletzt echauffierte man sich in der Gruppe zusehends darüber, dass der Passauer Aktivismus auf der Straße eingeschlafen, die führenden Akteur:innen der Szene offenbar inaktiv geworden seien. Der Sinn von Reisen zu Querdenken-Demos wurde ebenso wie die gesamten Strategien der Szene, zunehmend in Frage gestellt – hatte es doch mit der versprochenen Revolution bisher noch nicht geklappt. Stattdessen fanden sich immer wieder
engagierter Antifaschist:innen welche in der Gruppe trollten oder Widerspruch leisteten. Im Dezember schließlich wurde der mitgliederstärkte Kanal der Passauer Bewegung gelöscht. Ob dies, wie die ehemaligen Mitglieder spekulieren, an einer Unterwanderung durch die Antifa liegt, bleibt offen. Allein, dass die Schwurbelaktiven dies glauben, sollte jedoch als Gewinn für die antifaschistische Seite verbucht werden.

Aktions-Initiative „Freiheitsboten Passau“: Wirkung verhallt

Die Freiheitsboten bezeichnet eines vom Schwindelarzt und Querdenker-VIP, Dr. Bodo Schiffmann, ins Leben gerufene großangelegte Desinformationskampagne im Zuge derer „Freiheitsboten“ bundesweit nachts durch die Städte ziehen, um harmlos anmutende Flugblätter in Briefkästen zu verteilen. Hinter dem zielgruppengerecht ausdifferenzierten Angebot an Faltbroschüren, die denen der Bundesregierung teilweise täuschend ähnlichsehen, verbergen sich Corona-leugnende Inhalte. So wird beispielsweise das bekannte „AHA“-Prinzip (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) in dem Material durch „Angst ablegen, Hinterfragen, Austauschen“ ersetzt, der Corona Impfstoff wird als „genmanipulierendes Medikament“ deklariert und behauptet, es gebe „keine steigenden Infektionszahlen“ und ein positiver Test beweise „keine Gefahr“. Die Austragenden organisieren sich in rund 400 Ortsgruppen bundesweit über den Messengerdienst Telegram – so auch in der lokalen Gruppe „Freiheitsboten Passau“. Vom Passauer Hauptorganisator Hans Denk wurden die verschiedenen professionell gestaltete Flyer- Motive zur Wahl gestellt und bestellt. Diese konnten von den rund 85 Passauer Gruppenmitgliedern abgeholt und schließlich systematisch in der Stadt verteilt werden. Laut der Website http://www.freiheitsboten.de ist jede “Ortsgruppenleitung” des Projekts verpflichtet mindestens 200.000 Flyer zu bestellen und zu verteilen. Eine Recherche von CORRECTIV.Faktencheck zeigt, dass neben den Freiheitsboten auch der Verein mit Passauer Bezug, „Eltern stehen auf“, eine zentrale Rolle bei der Verteilung spielen soll. Verteilen werden außerdem auch massenhaft Flyer in Kooperation mit anderen Organisationen. Darunter ist der ebenfalls in Passau ansässige Verein „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ (MWGFD).
Nach eigenen Angaben verteilten die Passauer Freiheitsbot:innen über 20.000 Flyer in die Briefkästen und Haushalte der Stadt. Offenbar scheint sich das Aktionskonzept jedoch nicht abschließend bewährt zu haben. In der Filterbubble der „Corona-Rebell:innen“ war trotz der Kampagne kaum Zuwachs zu verzeichnen, eine mediale Berichterstattung blieb aus. Inzwischen wird auch seit Monaten keine Flyerverteilung mehr über die Telegramgruppe organisiert. Hans Denk designt inzwischen selber Flyer in deren Impressum er steht und welche auf den MWDFG-Verein verweisen. Darin wird die COVID- Impfung als potentiell tödlich beschrieben und als möglicherweise ursächlich für Krebs, Unfruchtbarkeit und Autoimmunerkrankungen.

Die „ElternStehenAuf Passau“: Wenig Support
von den eigenen Kindern

Die bundesweit aktive Bürger:inneninitiative ElternStehenAuf wurde im Juli 2020 gegründet und holt vor allem die Eltern und Familien mit kleinen Kindern unter den „Corona Rebell:innen“ ab. Mitbegründer der Initiative ist Gerhard Praher. Der ITler und passionierte Ufologe aus Oberösterreich betreibt gemeinsam mit Steffi Steinecker aus Passau das esoterische Netzwerk „Cosmic Society“ und den parawissenschaftlichen „Zeitenwende Stammtisch“ (Passau). Zusammen leiten die beiden offenbar ebenso den lokalen Ableger „ElternStehenAuf Passau“ auf Telegram. Steffi Steinecker zeigt sich von Beginn an auch als engagiertes und aktives Mitglied der Telegramgruppe „Corona Rebellen Passau“ sowie regelmäßige Teilnehmerin an lokalen Schwurbel Demos mit vertrauter Nähe zu den Organisator:innen von „Für die Freiheit 2020“. Als Rednerin trat Steinecker selber am 7. November auf der Anti-Corona-Maßnahmen-Kundgebung des Orgateams der bereits benannten Facebookgruppe „LKS Passau Steht Auf!“ in Vilshofen auf. Als passionierte Fans der Parawissenschaften betreiben Steffi Steinecker und Gerhard Praher seit Jahren ihr Hauptprojekt, „Cosmic Society“. Auf der Website der Cosmic Society werden Veranstaltungen wie Stammtische, Seminare, Workshops und Vorträge zu Alchemie, Ufologie/Ufosichtungen, Vollmond-Trommeln, „Atlantis – Ewige Legende“, „Die Geheime Gesellschaft der Freimaurer“, oder eben Steineckers und Prahers eigener Workshop zu telepathischer Kommunikation mit Engeln, Aliens und der Innererde beworben. Ebenso findet sich dort im Veranstaltungskalender 2020 eine kostenpflichtige Veranstaltung der FdF2020 & MWGFD-Aktivistin
Daniela Folkinger („Der Seelenplan – Was unser Schicksal bestimmt?“), die ihre Dienste sonst als Therapeutin für Selbstheilungskräfte oder als Unternehmerin für energetische Hausreinigungen feil bietet. Sehr aktiv zeigt sich Daniela Folkinger wiederum in der Telegramgruppe „ElternStehenAuf Passau“, wo sie offenbar besonders die MNS-Befreiungen und Aktivitäten von Dr. Ronald Weikl, ihrem (Passauer) MWGFD-Kollegen bewarb. Über den Austausch von Tipps zur Umgehung der Maskenpflicht oder Maßnahmen gegen Schulleitungen, schulische Infektionsschutzmaßnahmen oder PCR-Tests an Schüler:innen gingen die Aktivitäten der Gruppe jedoch nicht hinaus. Mit zunehmender Frustration stellten die „aufgestandenen Eltern“ fest, dass dubiose Atteste an Schulen nicht (mehr) akzeptiert werden und viele beklagten bitterlich, dass nicht einmal die eigenen Kinder die MNS-Befreiung nutzen wollten, sondern lieber mit MNS wieder bei ihren Schulfreund:innen im Unterricht sitzen.

„LKR Passau Steht Auf!“: Blieb vor dem Rechner sitzen

Im Herbst des Jahres gründeten sich zeitgleich die beiden Facebookgruppen „LKR [Landkreis] Passau steht auf!“ (ca. 4350 Mitglieder) und “Landkreis Passau STEHT AUF!!!!!“ (ca. 650 Mitglieder, Stand: Dezember 2020) mit dem Zweck, gegen die Corona Maßnahmen zu protestieren und um „den Regierungen zu sagen, dass wir ein Mitspracherecht haben“ (Selbstauskunft). Die Hauptorganisator:innen und Admins der Gruppe Christoph Weidenthaler (selbstständiger Finanzanalyst), Dennis Blecker (Schauspieler) und Julia Weikl planten hier die Massen zur Revolution zu mobilisieren – oder zumindest zu irgendwelchen Formen von Protest. Zu den Wortführer:innen der mitgliederstarken Facebookgruppen gehörten inzwischen – ganz „unpolitisch“ natürlich – Robert Schregle (Passauer AfD Stadtrat), Ralf Stadler (AfD Landtagsabgeordneter), der Neonazi Michael Kastner (ehem. FNS) sowie die „Autonome Nationalistin“ Michaela H. oder der, als Passauer NPDPolitiker bekannte, Martin Gabling.
Die erste Aktion der Facebookgruppe, ein „Lichtergedenken gegen Corona-Maßnahmen“ am Passauer Rathaus wurde, wohl auch wegen der maßgeblichen Beteiligung des AfD-Landtagsabgeordneten Ralf Stadler an der Aktion, von Antifaschist:innen gekapert. Bei ihrer ersten Kundgebung einige Zeit später vor dem Vilshofener Rathaus, an dem ebenfalls Blumen und Kerzen gegen die Corona Maßnahmen abgelegt werden sollten, kündigte der Organisator:innen- Kreis dies als Auftakt für eine Reihe weiterer, bald folgender Demos und Protestaktionen an. Diese lassen bis heute auf sich warten. Das Volk sei träge und vielen gehe es noch viel zu gut um „aufzustehen“, beklagt man in der Gruppe. Einem Aufruf den Besuch von Ministerpräsident Markus Söder in Passau im Dezember zu stören schlossen sich in der Gruppe zwar viele „Revolutionär:innen“ per „Like“ an, am Ende fanden sich aber „wegen Job“, „des Wetters“ oder „der Kinder“ kaum eine Hand voll Protestierender ein, welche nach kurzer Zeit mit Platzverweisen, Anzeigen und schlechter Stimmung von dannen zogen.

Noch immer hoch im Kurs: Angriffe auf Journalist:innen und Dokumentationspersonen

Die Angriffe auf Journalist:innen und zivilgesellschaftliche Dokumentationspersonen, vor denen auch dieses Projekt bereits Mitte des Jahres eindringlich gewarnt hatte, verschärften sich im Laufe der Monate zusehends. Aus Schutz für und Rücksicht auf die Betroffenen werden hier nur einige Fälle exemplarisch genannt. Ein Passauer Fotojournalist wurde für das (rechtmäßige) Fotografieren einer Kundgebung von Corona-Rebell:innen von diesen angezeigt, von anderen Fotograf:innen wollten die „Rebell:innen“ selbstständig die Personalien aufnehmen oder hielten diese gleich (illegitimerweise) nach dem „Jedermannsrecht“ fest. Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen von Journalist:innen durch Passauer Corona- Rebell:innen sind inzwischen ebenso alltäglich wie aktenkundig. Von tätlichen Angriffen auf Dokumentationspersonen liegen Videos vor, ebenso von unsäglichen medialen Hetzjagden, Diffamierungen und Verleumdungen gegenüber Passauer Medienschaffenden in Redebeiträgen auf Kundgebungen. Da werden nicht nur die persönlichen Daten und Klarnamen von Journalist:innen und Privatpersonen durch die Megaphone gebrüllt, auf Telegram und in Presseaussendungen publiziert, sondern auch gleich noch blumige und ziemlich abstruse Vorwürfe und Beleidigungen gegenüber den Betroffenen formuliert.
Eine Anfrage an die Stadt Passau dazu, wie man gedenkt, die lokalen Pressevertreter:innen und Dokumentationspersonen bei den Kundgebungen zu schützen und welche Maßnahmen zu deren Sicherheit ergriffen werden, blieb trotz angekündigter Reaktion seitens der Stadt bis heute unbeantwortet (Stand: 21.12.2020).

Quo vadis, Passauer Schwurbelrevolution?

Ob die derzeit anhaltende Frustration der Aktivist:innen und Mitwirkenden der lokalen verschwörungsideologischen Schwurbelbewegung sich in Resignation auflöst oder auch weiterhin in Radikalisierung entfaltet und in Aggression entlädt bleibt abzuwarten. Ebenso zu beobachten bleibt, ob es der organisierten extremen Rechten angesichts der anstehenden Bundestagswahl 2021 gelingt, das Potential der Schwurbelbewegung an sich zu binden und für sich zu nutzen oder ob die verschwörungsideologisch motivierten Wutbürger:innen sich garunter einem neuen Thema in den nächsten Monaten erneut zusammenfinden. Denn eines ist sicher: Die Schwurbel-Revolution kann im Jahr 2020 als grauenhaft gescheitert bezeichnet werden – doch ihre führenden Aktivist:innen haben im Bereich des Strukturaufbaus und des Aktivismus auf der Straße sowie im Umgang mit Behörden, Medien und modernen Kommunikationsmitteln einiges dazu gelernt. Auf dieses Erfahrungswissen und in Erinnerungen an die Erfolge ihrer Mobdynamiken schwelgend, wird es vielen unter ihnen leicht fallen das nächste Projekt aufzuziehen. Und darauf, dass diese Bande aus Narzist:innen, Selbstdarsteller:innen, gescheiterten Bühnenpersönlichkeiten und Wutbürger-Influencer:innen ihren 2020 entfachten obsessiven Hang zur Selbstinszenierung nicht einfach ablegen wird, kann man sich ganz sicher verlassen.

1 Anmerkung: Für uns stellt sich immer wieder die Frage, ob die Gefahr die von den selbst ernannten “Corona Rebell:innen” trotz oder gerade wegen ihrer Inkompetenz ausging und immer noch ausgeht ausreichend betont werden kann, ohne dabei ihre Wirkmacht größer erscheinen zu lassen, als sie real ist. Für dieses Paradoxon haben wir keine abschließende Lösung. Auch sind wir mit der Selbstbeschreibung der “Corona Rebellen” nicht glücklich, birgt dieser Begriff doch etwas progressiv-kämpferisches, anstatt einen Haufen wirrer Wutbürger mit Mobmentalität zu beschreiben. Sicher sollte deshalb treffenderer Weise von Corona-Verharmloser:innen oder der Corona-Leugner:innenszene geschrieben werden. Auch der Begriff der “Schwurbelszene”/Schwurbler:innen birgt die Gefahr zu verharmlosend zu wirken, wird im Folgenden jedoch trotz seiner inhaltlichen Unschärfe dem Lesefluss zuliebe in Teilen verwendet.

2 thoughts on “Jahresabschlussstatement des Dokumentationsprojekts „linksrum geschwurbelt“

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